In uralten
Zeiten war der Sonnengott Herr und Gebieter über die ganze Natur. Er herrschte
über Mond und Sterne, über die Wettergottheiten, über alles Leben auf der Erde.
Auch die Menschen verehrten ihn als ihren obersten Gott. Unter seinen wärmenden
Strahlen wuchsen und reiften die Früchte auf ihren Feldern, er behütete das
Feuer auf ihrem Herd. Doch wehe dem, der seinen Zorn erregte!
In jener
lang vergangenen Zeit liebte es der Sonnengott, in Gestalt eines jungen Mannes
seine Lieblingsinseln, die vor der Küste im Ozean gelegen waren, zu besuchen.
Dort
wanderte er am Strand entlang über den weißen Schaum, den die Wellen auf den
Sand geschwemmt hatten.
Eines Tages
sah er aus dem Meer eine wunderschöne Frau auftauchen. Ihr schwarzes Haar
umwehte den zarten Körper, die Wassertropfen auf ihrer braunen Haut funkelten
in allen Farben.
„Wer bist
du, schöne Frau?“, rief der Sonnengott entzückt und trat ein paar Schritte ins
Wasser. Doch beim Klang seiner Stimme erschrak die Schildkröte, auf deren
Rücken die junge Frau saß, und tauchte schnell unter – und die schöne
Unbekannte mit ihr.
Der
Sonnengott aber fühlte einen tiefen Schmerz, denn er hatte sich in die junge
Frau verliebt; nun war sie fort und er wusste nicht, ob er sie wiedersehen
würde. Das Meer mit seinen blaugrünen Wellen erschien ihm leer und einsam.
Der
Sonnengott setzte sich in den Sand und begann zu weinen. Er weinte und weinte
und durch sein Weinen fielen große Schatten auf die Inseln. Der Liebesschmerz
des Sonnengottes verwandelte sich schließlich in Wut und in seinem Zorn ließ er
eisige Stürme und Gewitter toben. Erde und Meer bebten. Eine riesige Flutwelle
überschwemmte die Inseln und tötete fast alles, was hier lebte.
Die
überlebenden Tiere versammelten sich voll Entsetzen und berieten, was sie tun
sollten. Sie beschlossen, eine Abordnung zu den Schildkröten zu schicken, um
sie zu fragen, wer denn diese schöne unbekannte Frau gewesen sei, die auf dem
Rücken einer Schildkröte aus dem Meer aufgetaucht war und wo sie wohnte.
Einige
Tiere schwammen also ins Meer hinaus, um die Schildkröten zu suchen. Weit
draußen tauchten sie in die Tiefe des aufgewühlten Meeres und kamen endlich zu
einem zauberschönen Palast. Er war aus regenbogenfarbenem Perlmutt gebaut, das
im Schein der Leuchtfische schimmerte. Nachdem die Tiere durch viele Gänge und
Winkel geschwommen waren, fanden sie endlich die Schildkröten.
„Liebe
Schildkröten“, begann der Delfin, der Sprecher der Gruppe. „Wir möchten euch um
einen großen Gefallen bitten. Wenn ihr uns nicht helft, sind wir alle verloren!“
Und er berichtete den Schildkröten von dem unglücklichen Sonnengott, der sich
in eine schöne unbekannte Frau aus dem Meer verliebt hatte. „Sie ist auf dem
Rücken einer Schildkröte geritten und mit ihr untergetaucht“, fügte er hinzu. „Und
deshalb dachten wir, ihr Schildkröten könnt uns vielleicht sagen, wer diese
Frau ist und wo sie wohnt.“ „Du sprichst von der Königin des Meeres“, meinte eine
Schildkröte.
In diesem
Augenblick erschien die Königin des Meeres selbst.
„Verehrte
Dame“, sprach der Delfin höflich. „Oben am Ufer sitzt der Sonnengott und weint
vor lauter Liebe zu Euch und vor Kummer und Wut schickt er Unwetter, so dass
wir alle zu Grunde gehen, wenn sie nicht bald aufhören. Bitte, helft uns!
Sprecht mit ihm!“
„Das tue
ich gerne“, erwiderte die Königin. „Denn auch ich habe mich in diesen jungen
Mann verliebt. Ich wusste nicht, dass er mich liebt und deshalb traurig ist.
Ich werde sogleich zu ihm gehen!“
Die Königin
des Meeres bestieg eine Schildkröte und ritt auf ihr zum Sonnengott. Die beiden
heirateten und wurden sehr glücklich miteinander. Sie lebten zusammen in dem
Palast aus regenbogenfarbenen Perlen.
Jeden
Morgen steigt der Sonnengott aus dem Meer heraus, um die Erde zu beleuchten und
zu wärmen und jeden Abend kehrt er zu seiner geliebten Königin ins Meer zurück.
Indianisches
Märchen
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