13 Juni 2015

Holunderblüten ° Die Kinder der Frau Holle


Es ist wieder Holunderblütenzeit. Der schwarze Holunder (Sambucus nigra) blüht in weißen, wolkenartigen Dolden und schickt seinen Duft in die Sommerluft. Wer einmal den Geruch aus einer Mischung von Orange, Zitrone und Blumen richtig wahrgenommen hat, vergisst ihn nicht wieder. Hat er einen guten Standort, wächst der Holunder zu einem Bäumchen heran, das über und über mit prächtigen Dolden bedeckt ist.

Für Liebhaber von Holunderblütensirup ist jetzt die richtige Zeit, um die Blüten zu sammeln – am besten mittags, wenn sie ihr volles Aroma entfalten. Und wer weiß, vielleicht ahnt man dabei auch etwas vom Zauber, der den Hollerbusch umgibt. Er wird dem keltischen Erdgott Puschkaitis zugeschrieben, dem Herrn über die Waldwesen, die als seine Sendboten die Geschicke der Menschen beeinflussen sollten.

In alter Zeit fungierte er als Schatzhüter, wenn die Bauern von unruhigen Zeiten heimgesucht wurden. Um Geld und Schmuck vor plündernden Soldaten zu verbergen, wurden die Kostbarkeiten unter dem Busch vergraben und der Stamm wurde abgehackt. Wenn man erst Jahre später zurückkehren konnte, sah man an dem neu ausgetriebenen Bäumchen, wo man suchen musste.

Er soll auch einen Bezug zum Totenreich haben und die Verstorbenen in die Unterwelt geleiten. Im alten Griechenland benutzte man Holunderholz zur Bestattung der Toten und eigentümlicherweise übernahmen die Germanen eine Sitte daraus. Um in Norddeutschland Maß für den Sarg zu nehmen, benutzte der Schreiner einen frisch geschnittenen Holunderzweig und der Fahrer des Leichenwagens trieb die Pferde mit einem Holunderstock an.

In der Geschichte von Haus und Hof wurde der Hollerbusch als Hüter der Wohnstatt angesehen. In der Nähe des fruchtbaren Misthaufens eingepflanzt, galt sein Gedeihen als Zeichen für ein gutes Geschick. Niemand wagte, einfach Äste des Busches abzuhacken, ohne ein Gebet an die alte Erdgottheit zu sprechen. Kniend sprach man:

„Frau Elhorn, gib mir was von deinem Holtze, dann will ich dir von meinem auch was geben, wann es wächst im Walde.“

Im süddeutschen Raum und in Österreich opferten unsere Vorfahren unter dem Holunderbaum einer lichtbringenden Muttergottheit. Sie lebte in diesem Baum, hielt Krankheit und Übel fern und ihr Name wurde später zu „Frau Holle“ verwandelt. Als Holde und Segensspenderin wirkt die Holunderpflanze auch als vielfältige Naturapotheke. Vor allem Einödbauern waren auf die Heilkräfte der Natur angewiesen. Ein Spruch zum Hollerstrauch lautet:

„Rinde, Beere, Blatt und Blüte.  
Jeder Teil ist Kraft und Güte.
Jeder segensvoll.“


In Sagen heißt es, die Zeit des Grünens und Blühens im Frühjahr beginne, weil Frau Holle segnend durch die Flur schreitet. Sie bringt die Kinder und geleitet ungetauft verstorbene Kleine ins Totenreich. Als Patronin der Spinner und Weber, kann sie mit den Nornen und Parzen in Verbindung gebracht werden. Sie schütz die Schätze im Erdreich und erscheint den Menschen auch als alte, hilflose Frau, um zu prüfen, ob die Leute freundlich und freigiebig oder böse und geizig sind.

In Südniedersachsen und in Nordhessen gibt es einen Frau-Holle-Pfad als Wanderweg, auf dem man sich mit Schautafeln über das Märchen von Frau Holle und andere Grimmsche Geschichten informieren kann. Auch Skulpturen erfreuen das Auge der Wanderer. Im Nordhessischen Werra-Meißner-Kreis liegt der sagenumwobene Frau-Holle-Teich, der ein Eingang zur Anderswelt sein soll.

Aus den „Trauben des kleinen Mannes“, wie die Holunderbeeren auch heißen, wurde nicht nur Erkältungstee („Fliederbeertee“) und Stärkungsmittel hergestellt, sondern auch Holunderwein als Haustrank und Holundersekt zur Feier. Alte Rituale, mit denen der Holunderbaum den Menschen Krankheiten abnehmen sollte, wurden im Zuge der Christianisierung als Hexerei verboten.

Die Nachfrage als natürliches Färbemittel z.B. für Leder, Lebensmittel und Kosmetika steigt heutzutage, sodass der Strauch sogar extra angebaut wird, z.B. in Thüringen. Im Zuge der Rückbesinnung auf Wildobst und alte Obstsorten, gewinnt der Holunder ebenfalls an Bedeutung.

Vielleicht bedeutet der Geist dieser Rückbesinnung auch, dass der Glaube an die Segnungen der Natur wieder Einzug hält in die Gesellschaft. Der Zauber von Frau Holle, ein Inbegriff von der Kraft der natürlichen Gaben, kann uns Menschen wieder aus der technisierten, geschwindigkeitssüchtigen Welt zur Fülle und Freude des Lebens zurückführen. Und nun genieße gern noch einige Holunderblütenbilder.





















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