Gaben sind gleichzeitig so etwas wie unsere Fenster, durch die wir die Welt betrachten. Wenn wir ihnen trauen, vertrauen wir uns selbst. Dann ist die Welt, so, wie wir sie wahrnehmen, plötzlich voller Heilkunst, Baukunst, voller Handwerk und zu lösender Aufgaben, voller Schrift und zu Erforschendem, voller Kultur und Musik, belebt durch Gerichte und Gewürze, wir erkennen Strukturen, Eigenschaften und Ereignisse, die sich unserem Verständnis fast wie von selbst erschließen oder unbändige Neugier entfachen.
Ein Lebensweg
Wenn wie unsere Talente erkundet und erkannt haben, können wir sie leben und unser Leben entfaltet sich durch sie. Manchmal bringen sie aber auch Mühen, Verzicht und Vergleich, was es auszuhalten gilt. Hier wollen diese besonderen Fähigkeiten noch mehr genutzt, geschärft und verteidigt werden. Sie verlangen viel von uns und schenken gleichzeitig viel. Gaben erziehen und lehren uns und durch sie bringen wir in die Welt, was wir vermögen und was in uns steckt.
Dieser Weg wird streckenweise freudvoll und erfüllend sein, dann wieder mühsam und möglicherweise sogar gefährlich. Er wird alles sein, was wir uns zutrauen, wenn wir uns hingeben – das, was er uns abverlangt, kann mehr sein, als wir glauben, leisten zu können.
Dann ist es hilfreich, wenn auch andere uns dies zutrauen, an uns glauben und uns wohlwollend sehen, wenn wir es selbst gerade nicht können. Menschen, die uns helfen, uns wieder auf- und auszurichten, wenn wir uns verloren haben. Und auch dann, wenn wir spüren können, dass es jemanden gibt, der genau das braucht, was wir zu geben haben, wird nicht nur unsere eigene Erfüllung sondern auch das Wertvolle unserer Gabe deutlich.
Verbindung mit der Welt
Gelebte Gaben verbinden uns mit der Welt. Wenn wir mit und von anderen lernen und arbeiten, finden wir oft diejenigen, die uns ähnlich sind und sich auch für das begeistern, was wir in uns selbst gefunden haben. Sie können aber auch bittere Konkurrenten sein und uns mit Bosheit Schaden zufügen. Wieder andere können versuchen, uns und unser Können auszunutzen. Hier lernen wir, uns zu schützen, Grenzen zu ziehen, Bedingungen und Forderungen zu stellen. Wieder gebrauchen und vervollkommnen wir einen Teil unserer selbst, um gut zu leben und wir selbst zu bleiben.
Und die Ausnutzer? Vielleicht sind das gerade diejenigen, die ihren eigenen Gaben ausweichen und daher nicht gelernt und erkannt haben, dass es für jeden eine Grenze und eine Gegengabe geben muss. Sie sind noch nicht an ihren Gaben gewachsen und klar darin geworden, was ein solcher Weg bedeutet. Womöglich suchen sie, sich Wert billig zu erkaufen oder zu erschleichen, weil sie den Wert von Gaben nicht erkennen und die Leere, die durch nicht gelebte Gaben entsteht, zu füllen. Gleiches müsste dann auch für Herumkrittler und Kleinmacher gelten.
Solche Menschen leben in einer gefährlichen Bedürftigkeit, die für sie selbst und andere Schaden anrichtet. Sie jagen durch eine Welt des „nicht genug“ und können Erfüllung, Fülle und erfüllendes Tun nicht erkennen, weil sie noch nicht wissen, was das eigentlich ist.
Hier wäre sicher ein Innehalten wichtig und die Frage: Was steckt hinter dem, was ich unbedingt haben will, aber dessen Gegenwert ich nicht geben will? Steht dahinter sogar etwas Bestimmtes, das eigentlich in mir steckt? Etwas, das mir meine Aufgabe zeigt, die ich für die Welt und aus mir selbst heraus zu vollbringen habe? Ich sollte jetzt nicht aufgeben und genauer hinschauen, ob hier etwas auf eine Begabung hindeutet, die ich zeigen und entwickeln sollte.
Zufriedenheit und Ausrichtung
In einer Spannung von „ich muss doch aber erst noch…“ könnte man auch den Unterschied zwischen Aufgabe und Erledigung sehen. Den Kleinkram zu erledigen, muss sein, aber die Gabe und Aufgabe sollte nicht durch zu viele Erledigungen verschüttet werden. Dann gehen Ausrichtung und Zufriedenheit im Leben verloren, wenn jede Stunde und jeder Tag im Treibsand der Alltagsbeschäftigungen untergehen. Sonst hat man viel getan aber man spürt nicht den erfüllenden Frieden, den eine Arbeit aus den eigenen Talenten heraus bietet.
Wie wunderbar fühlt sich eine Erschöpfung an, wie gut nährt sie die Seele, wenn man der eigenen Natur und den eigenen Gaben gefolgt ist. Hier kommt Energie zurück, die Arbeit hat mir dann auch etwas zurückgegeben.
Ich kann also Gaben auch daran festmachen, dass mich die Beschäftigung mit ihnen zufrieden macht. Die Seele hat Frieden, weil sie das ausdrücken, herausgeben konnte, was in ihr steckt und angelegt ist. Ich habe das, was in mir angelegt ist, genutzt, um in meiner Umgebung etwas zu bewirken, zu erleichtern, zu verschönern. Ich habe etwas Eigenes gegeben, einen Teil, der wirklich von mir stammt. Ich habe etwas gegeben und mich selbst damit hingegeben. Wer weiß nicht, wie wenig man Zeit und Mühe bemerkt, wenn man mit Hingabe an einer Sache arbeitet.
So viel fordern Gaben von uns, so viel geben sie zurück. Sie schicken uns auf eine Reise, auf der uns Vieles begegnen wird und auf der wir uns mit vielen unserer Facetten selbst begegnen werden. Wir lernen uns selbst und andere kennen, es ist der berühmte Weg, der unter den eigenen Schritten entsteht. Lohnend, interessant, anstrengend, lehrreich, riskant, nach dem eigenen Herzen gegangen – ein erfüllter Lebensweg. Dafür sollte es sich lohnen, die eigenen Gaben zu erkunden und zu erkennen, sie anzunehmen und ihnen zu folgen. Und es verdient Respekt und Anerkennung, wenn sich ein Mensch auf diesen Weg begibt, denn er wird das Leben in einer Tiefe erfahren, die den Zuschauern hinter selbst- oder fremderbauten Schwellen verborgen bleibt.
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