03 Juli 2016

Hermann Hesses "Stufen" - das Gedicht vom Dichter selbst gelesen

Von Hermann Hesses philosophischem Gedicht „Stufen“ heißt es, es sein wie ein Gebet – anrührend und voller Wahrhaftigkeit. Der wohl berühmteste Auszug daraus ist die Zeile, die beginnt mit: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“. Es strahlt vor Lebensbejahung und Zuversicht. Der Rhythmus ist fließend, beruhigend in seiner Wirkung und lässt die Gedanken weit werden. Es zu lesen, ist ein Genuss.

Wie aber hörte es sich wohl an, wenn der Verfasser selbst es vorlas? Hier ist YouTube mal wieder eine Schatzkiste. Es gibt tatsächlich eine Originalaufnahme von Hermann Hesse, in der er dieses wunderschöne Poem rezitiert, das er am 04. Mai 1941 geschrieben hat. Wenn Du magst, höre Dir die Stimme des Dichters an, lehn Dich zurück und genieße dieses Werk voller Lebensweisheit und Optimismus.







Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!


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